Der Deutsche Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie tagt jährlich in Berlin und ist der größte Orthopädenkongress in Europa. An dieser Stelle haben wir Wissenswertes aus den Vorträgen für Menschen mit rheumatischen Erkrankungen zusammengestellt.
Was hilft wirklich gegen Arthrose?
Welche konservativen Maßnahmen helfen gegen Arthrose im Knie? Mit dieser Frage beschäftigte sich eine eigene wissenschaftliche Sitzung mit mehreren Vorträgen. Der Frankfurter Präventiv- und Sportmediziner Prof. Winfried Banzer zählte die Vorteile von Bewegung auf: Das gezielte Training des großen Oberschenkelmuskels könne die mechanische Belastung des Kniegelenks reduzieren, den Gelenkknorpel schützen und die neuromuskuläre Kontrolle verbessern. Bei körperlicher Aktivität werden zudem körpereigene Botenstoffe ausgeschüttet, die das Schmerzempfinden dämpfen.
„Schwimmen und Radfahren werden zwar häufig empfohlen, aber es gibt nur wenige Studien, die nahelegen, dass diese Sportarten bei Kniearthrose besonders geeignet sind“, betonte er. Wer Fahrrad fahren wolle, solle auf niedrige Gänge und eine hohe Trittfrequenz achten. Grundsätzlich sei kein Training dem anderen klar überlegen. Arthrosebetroffene sollten idealerweise zwei-, besser dreimal pro Woche üben – zunächst unter Anleitung im Rahmen einer Trainings- oder Physiotherapie und anschließend in Eigenregie.
Prof. Jürgen Steinmeyer aus Gießen sprach über die Bedeutung von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) als Salben gegen Arthroseschmerz. Verglichen mit Tabletten mit denselben Wirkstoffen hätten Salben eine vergleichbare Wirksamkeit, aber weniger Nebenwirkungen auf den gesamten Körper. Der Einsatz von NSAR-haltigen Salben sollte bei älteren Menschen, bei Begleiterkrankungen und bei bekannten Nebenwirkungen etwa auf den Magen-Darm-Trakt in Betracht gezogen werden.
Welchen Stellenwert hat die Synovialektomie?
Welche Bedeutung hat die totale Synovialektomie – also die Entfernung der Gelenkschleimhaut – als Therapie in der heutigen Zeit? Sie sei nach wie vor ein wichtiger Eingriff, betonte Privatdozent Dr. Christoph Biehl aus Gießen. Leitsymptom sei die Synovialitis, also die entzündliche Veränderung der Gelenkschleimhaut, die entfernt werden soll. Es sei heute nicht mehr üblich, einen allgemein gültigen Zeitraum zu definieren, in dem die Synovialektomie erfolgen sollte. Vielmehr sollten der betreuende internistische Rheumatologe und die orthopädische Rheumatologie sich individuell dazu abstimmen. Mittlerweile kann eine Synovialektomie auch arthroskopisch erfolgen, was die postoperative Infektionsgefahr senkt.
Solche Eingriffe könnten ambulant erfolgen, die Basistherapie müsse dafür nicht pausiert werden, so Dr. Christoph Biehl. Allerdings dauere der Eingriff mit durchschnittlich 1,5 Stunden länger als am offenen Gelenk und benötige ein hohes technisches arthroskopisches Können. Bei dem offenen Eingriff bestehe hingegen eine etwas höhere Infektionsgefahr, und die Medikation muss ausgesetzt werden. Der Eingriff erfolge stationär, dauere im Schnitt aber nur 60 Minuten.
Auch die Psyche im Blick halten!
Das Vorhandensein von Angststörungen und/oder Depressionen kann das Ergebnis von orthopädischen Operationen verschlechtern. Nele Rasmussen aus Hamburg stellte eine Studie der Mayo-Klinik in den USA vor, wonach Patientinnen und Patienten mit Angststörungen und/oder einer Depression ein 1,5- bis zweifach erhöhtes Risiko für Infektion, Re-Operation und Revision haben.
Betrachtet wurden über 21.500 Studienteilnehmer, die eine Knie- oder Hüftendoprothese oder eine Revisionsoperation hatten. 33 Prozent von ihnen hatten schon vorher eine bekannte Depression oder Angststörung, die meisten von ihnen erhielten entsprechende Medikamente. Ein ähnlicher Zusammenhang ist bei anderen Operationen nachgewiesen, etwa bei Spinalkanalstenose und Bandscheibenoperationen.
Zwei Fragen könnten helfen, Betroffene vor der Operation zu identifizieren: „Litten Sie in den letzten vier Wochen an Gefühlen der Hoffnungslosigkeit, an Schlafstörungen, Erschöpfung oder depressiven Gefühlen?“ sowie „Waren Sie im letzten Monat interesse- oder freudlos an Dingen, die Ihnen gewöhnlich Spaß gemacht haben?“. Es sei wichtig, Depressionen und Angststörungen als mögliche Risikofaktoren bei der Aufklärung vor Operationen zu benennen.
Haben Frauen andere Knochen- und Gelenkprobleme?
Über Genderaspekte in der Orthopädie und Unfallchirurgie sprach der Remscheider Internist und Kardiologe Prof. Burkhard Sievers. Er listete Erkrankungen auf, die Frauen häufiger betreffen, etwa rheumatoide Arthritis, die zwei- bis dreimal häufiger bei Frauen auftritt. Auch das Karpaltunnelsyndrom betrifft Frauen drei- bis viermal häufiger als Männer, ebenso Fingergelenksarthrose, Kniearthrose, Sehnenscheidenentzündungen sowie Kalkschulter. Frauen haben zudem häufiger Verstauchungen und einen Hallux valgus, auch Ballenzeh genannt, sowie Kreuzbandrisse.
Aufgrund von Osteoporose nimmt das Risiko für Knochenbrüche bei Frauen über dem 50. Lebensjahr um das Siebenfache im Vergleich zu Männern zu. Privatdozent Dr. Clemens Gwinner von der Berliner Charité ergänzte Aspekte zur Kniearthrose: Auch davon sind Frauen häufiger betroffen. Frauen erhalten mit 59,5 Prozent auch häufiger eine Knie-Totalendoprothese als Männer, deren Anteil 40,5 Prozent beträgt – allerdings oft erst im höheren Lebensalter. Auch bei der Zufriedenheit mit dem künstlichen Gelenk schneiden beide Geschlechter unterschiedlich ab: So haben Frauen häufiger und stärkere Schmerzen nach dem Eingriff.
Wissenswertes zu Sarkopenie
Die Deutsche Rheuma-Liga hat eine wissenschaftliche Session mit organisiert und rückte darin das Thema Sarkopenie in den Mittelpunkt mehrerer Vorträge. Prof. Stephan Kirschner aus Karlsruhe betonte in seinem Vortrag die Bedeutung einer Prä-Rehabilitation, also einer Verbesserung zum Beispiel der Muskelkraft eines Patienten bereits vor der Operation. Man könne beispielsweise Wartezeiten auf einen Eingriff nutzen.
„Prä-Rehabilitation ist genauso wichtig wie die Reha nach dem Eingriff“, betonte er. Für Patientinnen und Patienten mit Sarkopenie läge das Risiko für Komplikationen bei einem Eingriff um das drei- bis vierfache höher als bei gesunden Menschen. Deshalb werden sogar Tumoroperationen bei Betroffenen mit Muskelschwund verschoben – unter Umständen solle man diese auch bei Betroffenen mit Prothesenversorgung erwähnen, betonte Prof. Kirschner. Risikofaktoren seien eine Anämie, schweres Untergewicht, zu wenig Bluteiweiß Albumin, zu wenige weiße Blutkörperchen, Vitamin-D-Mangel und eine grobe Beeinträchtigung der Handkraft, die als Anzeiger für Sarkopenie gilt.
Hybride Trainingstherapie
Eine hybride Trainingstherapie mit Übungen gegen Knie- und Hüftarthrose kann einen wirksamen Beitrag dazu leisten, Gelenkersatzoperationen hinauszuzögern. Ein Programm mit 24 Therapieeinheiten vor Ort und 24 Übungseinheiten online verbesserte vor allem bei Kniearthrose den sogenannten 50-Meter-Gehtest.
Für beide Arthrosearten verbesserten sich Fragebogenwerte für Schmerz, Stärke der Symptome, Beschwerden beim Sport und Lebensqualität. Etwa 90 Prozent der Betroffenen verschoben im ersten Jahr nach dem Training einen bereits vereinbarten Operationstermin, im zweiten Jahr lag der Wert nur geringfügig niedriger.
Untersuchung bei Sprunggelenksfraktur
Auch Sprunggelenksfrakturen können Osteoporose anzeigen: Dr. Steffi Falk von der Universität Rostock hat dazu 131 Patientinnen und Patienten mit einem Bruch im Sprunggelenk untersucht, bei denen es kein starkes Trauma gab. Zwei Drittel erfüllten die Kriterien für eine Osteoporosediagnostik, ein Drittel hatte bereits eine behandlungsbedürftige Osteoporose.
Auswirkungen von Orthesen
Orthesen zur Stabilisierung des Sprunggelenks kommen etwa nach einem Bänderriss zum Einsatz. Allerdings führt die eingeschränkte Beweglichkeit im Sprunggelenk zu zusätzlichen Belastungen im Knie. Das kann mittelfristig zu Schäden im Knie führen, etwa zu Schleimbeutelentzündungen, Sehnenproblemen oder Arthrose. Um das Risiko von Knieproblemen zu minimieren, sollte man entsprechende Orthesen nur so lange wie unbedingt nötig anwenden und eventuell beim Sport auf sie verzichten.
Knochenschwund
Wenn Senioren einen osteoporosebedingten Knochenbruch erleiden, lohnt es sich für etwaige Kinder, sich auch auf Knochenschwund untersuchen zu lassen: Dr. Steffi Falk und ihr Team nahmen dazu die Knochen von 40 Kindern im Alter von über 50 Jahren ins Visier, von denen ein Elternteil eine hüftgelenksnahe Fraktur aufgrund von Osteoporose hatte. 38 Prozent der untersuchten Kinder hatten bereits eine behandlungsbedürftige Osteoporose, über die Hälfte hatte einen Vitamin-D-Mangel.
Autorinnen: Mechthild Janz und Julia Bidder
Dieser Text erscheint in der Mitgliederzeitschrift "mobil", Ausgabe 1-2024. Sechs Mal im Jahr erhalten Mitglieder der Deutschen Rheuma-Liga die Zeitschrift direkt nach Hause (jetzt Mitglied werden).